Bundesarbeitsgericht mit einem Schritt zurück nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Sommer 2018.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Januar 2019, 7 AZR 733/16
Einmal hin und einmal her, das Bundesarbeitsgericht (BAG) ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von seiner arbeitgeberfreundlichen Rechtsprechung aus 2011 wieder zu seiner alten Rechtsprechung zurückgekehrt, lässt den Fachgerichten und sich jedoch auch die Möglichkeit offen, im Einzelfall eine sachgrundlose Befristung bei Vorbeschäftigung zuzulassen.
Vor 2011
Grundsätzlich darf ein Arbeitsverhältnis auch ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu zwei Jahre lang befristet werden, § 14 Abs. 2 Satz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Diese Möglichkeit ist jedoch nicht gegeben, „wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat“, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Gesetzgeber einen Missbrauch befristeter Arbeitsverträge durch sogenannte “Befristungsketten” verhindert wollte.
Das BAG hatte bis 2011 entschieden, dass diese Regelung keinen größeren Deutungsspielraum zulasse und dass auch weit in der Vergangenheit liegende vorherige Beschäftigungsverhältnisse einer erneuten sachgrundlos befristeten Beschäftigung entgegenstehen.
So beschloss das BAG noch 2009 (Beschluss vom 29.07.2009, 7 AZN 368/09):
Das Bundesarbeitsgericht hat bereits entschieden, dass es auf den zeitlichen Abstand zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und dem nunmehr ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnis (BAG 6. November 2003 – 2 AZR 690/02 – BAGE 108, 269 = AP TzBfG § 14 Nr. 7 = EzA TzBfG § 14 Nr. 7) ebenso wenig ankommt wie auf die Art der vorherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers in dem Betrieb oder für den Betriebsinhaber (BAG 18. Oktober 2006 – 7 AZR 145/06 – Rn. 13, BAGE 120, 34 = AP TzBfG § 14 Verlängerung Nr. 4 = EzA TzBfG § 14 Nr. 35). Die Zulassung der Revision ist nicht wegen der vereinzelt im Schrifttum geäußerten Kritik (zB. ErfK/Müller-Glöge 9. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 98) an dieser Rechtsprechung geboten. Der Senat hält ebenso wie der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts den Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG für eindeutig.
Wende des BAG 2011
2011 kam mit dem Urteil vom 06.04.2011 (7 AZR 716/09) die Wende: Eine Lehrerin hatte sich gegen die Befristung gewehrt, da sie bereits sechs Jahre zuvor für ihren Arbeitgeber als studentische Hilfskraft tätig gewesen war. In dem Fall entschied das BAG, dass einer erneuten Befristung die Vorbeschäftigung nicht entgegenstehe, da zwischen der Vorbeschäftigung und dem aktuellen Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre gelegen hatten. Diese Rechtsprechung war nicht unumstritten, denn viele kritisierten, dass sich das BAG anmaße, anstelle des Gesetzgebers, der diese zeitliche Grenze nicht gezogen hatte, nunmehr den § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG um eine solche zu ergänzen. Auch einige Landesarbeitsgerichte hielten die 3-Jahres-Grenze des BAG für verfassungswidrig.
Bundesverfassungsgericht im Juni 2018
Auf Vorlage des Arbeitsgerichts Braunschweig sowie auf eine Verfassungsbeschwerde hin hatte das BVerfG am 6. Juni 2018 (1 BvL 7/14 und Az. 1 BvR 1375/14) beschlossen, dass die Auslegung des BAG nicht mehr vom Willen des Gesetzgebers gedeckt sei. Wenn der Gesetzgeber erkennbar keine Frist für die Vorbeschäftigung geregelt habe, dürfe richterliche Rechtsfortbildung diese nicht selber erschaffen.
Gleichzeitig erklärten die Verfassungsrichter allerdings auch, dass es Fälle geben könne, in denen eine Vorbeschäftigung eine erneute sachgrundlose Befristung nicht verhindere. DIes sei beispielsweise der Fall, wenn gerade keine Gefahr einer Kettenbefristung bestehe oder das unbefristete Arbeitsverhältnisse als Regelbeschäftigungsform erhalten bleibe.
Aufgabe der 2011er Rechtsprechung mit Urteil vom 23. Januar 2019
Dieser Vorgabe ist das Bundesarbeitsgericht nun mit seinem Urteil vom 23. Januar 2019 (7 AZR 733/16) gefolgt. Nach der Pressemitteilung sei die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis von etwa eineinhalbjähriger Dauer bestanden hat, das eine vergleichbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte.
Im Jahr 2011 hatte das Bundesarbeitsgericht zwar entschieden, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfasse in verfassungskonformer Auslegung nicht solche Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen. Diese Rechtsprechung kann jedoch auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) nicht aufrechterhalten werden. Danach hat das Bundesarbeitsgericht durch die Annahme, eine sachgrundlose Befristung sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliege, die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben überschritten, weil der Gesetzgeber eine solche Karenzzeit erkennbar nicht regeln wollte.
Pressemitteilung Nr. 3/19 des Bundesarbeitsgerichts vom 23.01.2019
Das BAG greift auch gleich die Möglichkeit, die das BVerfG eröffnet hatte, auf und erklärt, dass eine verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken könne, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar sei, weil die Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei , um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.
Es führt drei Fälle an:
- Wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt,
- ganz anders geartet war oder
- von sehr kurzer Dauer gewesen ist.
Die Gerichte und die hohe See
Warum der alte Satz, dass man vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand sei, wahr sein könnte, beweist das BAG am Schluss der Pressemitteilung:
Die Beklagte (Anmerkung: Gemeint ist die Arbeitgeberin) kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Befristung im Vertrauen auf die im Jahr 2011 ergangenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vereinbart zu haben. Sie musste bei Abschluss der Verträge mit dem Kläger jedenfalls die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Norm vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnte.