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Bundesarbeitsgericht: Vorgegebene Verfallsklauseln, die Mindestlohn einschließen, sind unwirksam

Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 18.09.2018 – 9 AZR 162/18

Viele Arbeitsverträge enthalten sogenannte Verfallsklauseln. Danach hat jede Partei (also Arbeitgeber wie Arbeitnehmer) ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen einer gewissen Frist (z.B. von 6 Monate) schriftlich geltend zu machen. Bei sogenannten zweistufigen Verfallsklauseln ist dann, verweigert die andere Seite die Leistung auf die Aufforderung hin, binnen einer weiteren Frist (z.B. von 3 Monate) Klage zu erheben.

Derartige Klauseln sind in der Regel vom Arbeitgeber vorformuliert, da dieser meist den Arbeitsvertrag einheitlich vorgibt. Damit unterliegen sie allerdings der Überprüfung nach den Regelungen, die für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gelten.

Für den Bereich des Mindestlohns, in dem das Mindestlohngesetz (MiLoG) gilt, hat das Bundesarbeitsgericht nun geurteilt, dass arbeitsvertragliche Verfallklauseln, die, ohne zu differenzieren, alle gegenseitigen Ansprüche und damit auch den gesetzlich garantierten Mindestlohn umfassen, gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen und unwirksam sind. Dies gelte jedenfalls für alle seit Inkrafttreten des MiLoG (also seit dem 01.01.2015) geschlossenen Arbeitsverträge.

Zum Fall

Der klagende Arbeitnehmer war beim beklagten Arbeitgeber als Fußbodenleger beschäftigt. Der im September 2015 geschlossene Arbeitsvertrag beinhaltete eine Verfallsklausel, wonach alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, werden sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber der jeweils anderen Partei schriftlich geltend gemacht. Nachdem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage. Innerhalb dieses Rechtsstreits schlossen die Parteien sodann einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15.08.2016. Der Arbeitgeber verpflichtete sich zur ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses bis zum 15.09.2016.

In der Abrechnung des Arbeitgebers für den Monat August 2016 fehlte jedoch die Urlaubsabgeltung. Nach Ansicht des Arbeitgebers sei dieser Anspruch des Arbeitnehmers inzwischen verfallen, da der er nicht rechtzeitig, also nicht innerhalb der Ausschlussfrist, schriftlich geltend gemacht worden sei.

Nachdem der Arbeitnehmer zunächst beim Arbeitsgericht Erfolg hatte, unterlag er in der anschließenden Berufung des Arbeitgebers vor dem Landesarbeitsgericht.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Auf seine Revision hin, gab das Bundesarbeitsgericht dem klagenden Arbeitnehmer Recht.

Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG habe  der Arbeitnehmer einen Anspruch auf 1.687,20 Euro brutto für die Abgeltung von 19 Urlaubstagen. Zwar habe er diesen Anspruch nicht innerhalb der vereinbarten Ausschlussfrist geltend gemacht. Dazu sei er allerdings auch nicht verpflichtet gewesen. Denn die vereinbarte Verfallsklausel verstoße gegen § 307 Abs. 1 BGB, wonach Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner (gemeint ist hier der Arbeitnehmer) des Verwenders (gemeint ist hier der Arbeitgeber) unangemessen benachteiligen, wobei eine unangemessene Benachteiligung sich auch daraus ergeben kann, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist (sogenanntes Transparenzgebot).

Seit dem 01. 01.2015 gilt für den Bereich des Mindestlohns der § 3 Satz 1 MiLoG:

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.

Da die Verfallsklausel den zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehme, was sie hätte machen müssen, da seine Geltendmachung nach dem MiLoG eben nicht beschränkt oder ausgeschlossen werden darf, sei die Klausel unklar und nicht verständlich.

Da die Klausel damit insgesamt unwirksam war, könne sie nach dem Bundesarbeitsgericht auch nicht für die Abwehr eines Anspruchs auf Urlaubsabgeltung herangezogen werden, eine Rechtsfolge des § 306 BGB.

Insgesamt unwirksam

Die Frage, ob eine Verfallsklausel, die keine Rücksicht auf § 3 MiLoG nimmt, nur in Bezug auf den Mindestlohnanspruch oder insgesamt unwirksam ist und damit auch keine Wirkung in Bezug auf Ansprüche entfaltet, die nicht auf dem Mindestlohn basieren, wurde bislang von den Arbeitsgerichten unterschiedlich beantwortet. So hatte das Landesarbeitsgericht Nürnberg die Unwirksamkeit nur bezüglich des Mindestlohns, aber keine generelle Unwirksamkeit der Klausel angenommen (Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 09. Mai 2017, Az. 7 Sa 560/16 (PDF)). So sah es auch die Berufungsinstanz des vorliegenden Falles (Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 31.01.2018. Az. 33 Sa 17/17). Andere Gerichte hielten die Klausel ohne Ausschluss der Ansprüche aus dem MiLoG für insgesamt unwirksam.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun Klarheit geschaffen und auf den Zeitpunkt des Abschluss des Arbeitsvertrages abgestellt. Jedenfalls für ab dem 01.01.2015 vom Arbeitgeber vorformulierte Verfallsklauseln, die keine Einschränkung enthalten, sind nicht nur in Bezug auf den Mindestlohn, sondern insgesamt unwirksam.

Anders kann es jedoch bei tariflichen Ausschlussfrist sein, wie das Bundesarbeitsgericht im Juni 2018 entschieden hatte (Urteil vom 20.06.2018, Az. 5 AZR 377/17). In Tarifregelungen können Beschränkungen des Mindestlohnanspruchs auch nur in Bezug auf diesen unwirksam sein, ohne dass die Ausschlussfrist generell unwirksam wäre. Der Grund dafür ist, dass Tarifregelungen nicht der Transparenzkontrolle der AGB Regelungen des BGB unterliegen, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB.

Bei vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsverträgen sahen die Richter des Bundesarbeitsgerichts jedoch nicht, dass § 3 Satz 1 MiLoG von seinem Wortlaut oder Sinn und Zweck her, die Anwendung der AGB Regelungen aus §§ 306, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB einschränke.

Fazit

Nachdem viele Arbeitgeber zunächst nach dem oben genannten Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg aufatmen konnten, ist nun nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts dringendes Handeln geboten. Neuverträge sind auf jeden Fall anzupassen. Bei Altverträgen ist dies im Einzelfall abzuwägen. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass Arbeitnehmer für noch nicht verjährte Ansprüche, von denen sie bislang dachten, sie seien wegen der Verfallsklausel ausgeschlossen, Ansprüche stellen.

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