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Gleichzeitige ordentliche Mietvertragskündigung weiterhin neben fristloser Kündigung möglich

Zahlen Mieter die Miete für zwei aufeinander folgende Termine nicht, so kann der Vermieter das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen, § 543 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a BGB. Vielfach wird neben der fristlosen Kündigung gleichzeitig (hilfsweise) eine ordentliche Kündigung zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist ausgesprochen. Eine ordentlich Kündigung kann der Vermieter von Wohnraum jedoch nur dann aussprechen wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, § 573 Abs. 1 BGB. Ein berechtigtes Interesse liegt nach dem Gesetz insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, was u.a. bei Mietrückständen regelmäßig der Fall ist.

Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird die Kündigung jedoch unwirksam, wenn der der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Diese nachträgliche Zahlung wird auch Schonfristzahlung genannt.

Die überraschenden Berufungsurteile des Landgerichts Berlin

Genau dies war in den beiden Fällen, die zunächst vor den Amtsgerichten Pankow-Weißensee und Tempelhof-Kreuzberg, später dann in der

Berufung vor dem Landgericht Berlin (Urteile vom 13.10.2017 – 66 S 90/17  und 15. November 2017 – 66 S 192/17) verhandelt worden waren, gegeben. Zwar sei die Räumungsklage der Vermieter zunächst berechtigt gewesen, aber der Anspruch nachträglich wegen der Schonfristzahlung erloschen. Nach Ansicht des Landgerichts Berlin habe zwischen dem Zugang der fristlosen Kündigungserklärung und dem Eingang der Schonfristzahlung kein Mietverhältnis bestanden, da dies bereits durch den Zugang der fristlosen Kündigung erloschen sei. Mangels Mietvertrages habe eine zusätzlich ausgesprochene ordentliche Kündigung keine Wirkung entfalten können, sie sei ins Leere gelaufen.
Dies hätte zur Folge, dass bei einer Schonfristzahlung, die die fristlose Kündigung zunächst beseitigt, die gleichzeitig ausgesprochene ordentliche Kündigung keine Wirkung mehr entfalten würde und im Räumungsprozess auch nicht mehr über sie entschieden würde.

Widerspruch vom Bundesgerichtshof

Dem widersprach der Bundesgerichtshof in seinen beiden Urteilen vom 19. September 2018 (Az. VIII ZR 231/17 und VIII ZR 261/17) und hob die Urteile des Landgerichts Berlin auf.

Damit kann die fristlose Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses auch weiterhin mit einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung verbunden werden.

Der Bundesgerichtshof erklärt, dass der Gesetzgeber mit der Regelung zur nachträglichen Schonfristzahlung habe gewährleisten wollen, dass die wirksam ausgeübte fristlose Kündigung trotz ihrer Gestaltungswirkung rückwirkend als unwirksam gilt und der Mietvertrag fortgesetzt wird.
Der Vermieter, der neben der außerordentlichen auch die ordentliche Kündigung ausspricht, erklärt, dass er auch für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung nicht greift (bspw. durch nachträgliche Zahlung oder Aufrechnung durch den Mieter) die Beendigung des Mietverhältnisses weiter verfolgen will.

Fazit

Die Entscheidung ist richtig. Die künstliche Aufteilung des Sachverhalts durch das Landgericht Berlin in ein fristlos beendetes Mietverhältnis, das durch die Schonfristzahlung wieder auslebt, aber zwischendurch nicht bestanden hätte, ist nicht lebensnah. Im Ergebnis müsste jeder Vermieter nach fristloser außerordentlicher Kündigung zunächst abwarten, ob der Mieter innerhalb der Schonfrist zahlt oder eine öffentliche Stelle einspringt, bevor er dann – gestützt auf die nicht unerhebliche Verletzung vertraglicher Pflichten – die ordentliche Kündigung aussprechen könnte. Der Mieter ist hier auch nicht besonders schutzwürdig. Zwar beseitigt die nachträgliche Mietzahlung den Räumungsanspruch des Vermieters, die schuldhafte Pflichtverletzung der nicht fristgerechten Mietzahlung bleibt. Die Nachträgliche Zahlung wird wegen der Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht zur frist- und vertragsgerechten Zahlung.