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OLG Frankfurt bejaht Irreführung des Verbrauchers, wenn ein Werber bei Anrufen ein Pseudonym verwendet

Ein Unternehmen aus dem Bereich der Energielieferung für Privathaushalte beauftragte einen Werber, telefonisch Kontakt mit Verbrauchern aufzunehmen. Bei diesen Anrufen verwendete der Werber nicht seinen Realnamen, sondern stets das gleiche Pseudonym.
Dies rügte ein Mitbewerber als irreführend.

Das zunächst angerufene Landgericht Darmstadt (Az. 16 O 46/18) wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 22.11.2018 zurück. Die unwahre Namensangabe sei nicht geeignet, die geschäftliche Entscheidung der Kunden der Antragstellerin zu beeinflussen.

Die dagegen eingelegte Berufung vor dem 6. Zivilsenat des OLG Frankfurt 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. dagegen war erfolgreich (Urteil vom 16.05.2019, Az. 6 U 3/19)

Nach § 5 I 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5 I 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält.
Die unwahre Namensangabe ist hier geeignet, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die andernfalls nicht getroffen hätte. Auf eine solche wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung kann zwar in der Regel aus dem Hervorrufen einer Fehlvorstellung geschlossen werden. Anders verhält es sich jedoch dann, wenn über Umstände getäuscht worden ist, die für das Marktverhalten der Gegenseite lediglich eine unwesentliche Bedeutung haben. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Insbesondere mit Blick auf die vertragliche Rechtsdurchsetzung kann es auf die Angaben des Mitarbeiters am Telefon und damit zu Beweiszwecken auf dessen wirklichen Namen ankommen. Als geschäftliche Handlung des Unternehmers wird insoweit auch ein Verhalten vor oder bei Geschäftsabschluss erfasst, das sich erst bei Durchführung des Vertrages auswirkt. Insoweit ist es für die Anwendung von § 5 I UWG unerheblich, sollte die Angabe eines falschen Namens für die Eingehung vertragliche Ansprüche, hier also die Entscheidung für oder gegen ein Wechsel des Stromversorgers noch keine Rolle spielen, sondern erst später relevant werden. Es ist denkbar, dass der Verbraucher den Anbieter möglicherweise nicht gewechselt hätte, wenn er gewusst hätte, dass er den richtigen Namen des Mitarbeiters nicht kennt. Diese Irreführungsgefahr wird entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht dadurch beseitigt, dass der fragliche Mitarbeiter immer unter dem falschen Namen auftritt. Unter diesen Umständen mag der Mitarbeiter zwar für die Antragsgegnerin zu identifizieren sein. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Verbraucher ein Interesse am richtigen Namen hat. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann er sicher sein, den Mitarbeiter beispielsweise in einem Prozess zutreffend als Zeugen benennen zu können. Auf eine etwaige sekundäre Darlegungslast der Antragsgegnerin in einem derartigen Prozess zur Benennung des richtigen Namens muss er sich insoweit nicht verweisen lassen. Die Tatsache schließlich, dass nach Auffassung der Antragsgegnerin im vorliegenden Fall der Name des Anrufers für die angerufene Kundin angeblich keine Bedeutung gehabt habe, ist ohne Relevanz. Entscheidend ist insoweit die mögliche Beeinflussung auch anderer Verbraucher in künftigen Fällen.

Da die Antragsgegnerin den Werber mit den Anrufen beauftragt habe, sei sie auch für das Verhalten des Werbers nach § 8 II UWG verantwortlich.

2018 hatte sich der Bundesgerichtshof mit einem ähnlichen Fall zu beschäftigen (Urteil vom 19.04.2018, Az. I ZR 244/16). Dort ging es allerdings primär um die Frage der Informationspflicht nach § 312a Abs.1 BGB

§ 312a Allgemeine Pflichten und Grundsätze bei Verbraucherverträgen; Grenzen der Vereinbarung von Entgelten

(1) Ruft der Unternehmer oder eine Person, die in seinem Namen oder Auftrag handelt, den Verbraucher an, um mit diesem einen Vertrag zu schließen, hat der Anrufer zu Beginn des Gesprächs seine Identität und gegebenenfalls die Identität der Person, für die er anruft, sowie den geschäftlichen Zweck des Anrufs offenzulegen.

Der BGH führte aus, dass § 312a BGB lediglich die die Identität des Unternehmens umfasse:

Die Angabe des falschen Namens durch den Mitarbeiter der Beklagten hat die von § 312a Abs. 1 BGB aufgestellten Informationspflichten nicht verletzt. Bei einer telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Verbraucher im Sinne dieser Vorschrift muss nur die Identität des Unternehmers sowie der geschäftliche Zweck offengelegt werden, nicht aber die Identität des für den Unternehmer anrufenden Mitarbeiters, der selbst nicht Unternehmer ist. Da die Offenlegung des Namens des anrufenden Mitarbeiters nicht vom Schutzzweck des § 312a Abs. 1 BGB erfasst ist, wird diese Vorschrift auch nicht dadurch verletzt, dass der anrufende Mitarbeiter einen falschen Namen angibt.

In dem konkreten Fall verneinte der BGH auch Ansprüche wegen eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 3 UWG, ließ aber die grundsätzliche Anwendung des § 5 Abs. 1 UWG offen.

Einer Anwendung von § 5 Abs. 1 UWG wegen einer unwahren Namensangabe steht nicht entgegen, dass die auf Art. 8 Abs. 5 der Richtlinie 2011/83/EU beruhende Bestimmung des § 312a Abs. 1 BGB bei richtlinienkonformer Auslegung durch die Nennung eines falschen Namens bei Werbeanrufen nicht verletzt wird (dazu oben B II 2 b). Über § 5 Abs. 1 UWG wird nicht entgegen § 312a Abs. 1 BGB die Information über die Identität eines anrufenden Mitarbeiters verpflichtend. Es geht bei § 5 Abs. 1 UWG nicht um das Vorenthalten von Informationen, sondern um die bewusst unwahre Angabe eines Namens und damit um die Frage einer irreführenden geschäftlichen Handlung. Für das Verhältnis von § 312a Abs. 1 BGB zu § 5 Abs. 1 UWG kann insofern nichts anderes gelten als für das Verhältnis von § 5a Abs. 3 UWG zu § 5 Abs. 1 UWG. Auch wenn die „Basisinformationen“ gemäß § 5a Abs. 3 UWG, die sich in § 312a Abs. 1 BGB wiederfinden, erteilt werden, ist ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 UWG nicht ausgeschlossen (vgl. zu Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG EuGH, GRUR 2016, 1307 Rn. 72 – Canal Digital; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 5a Rn. 3.20).

Fazit

Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist zu begrüßen. Verbraucher sollten gerade in den Fällen, in denen der Kontakt zum Unternehmen über Mitarbeiter oder beauftragte Externe nur telefonisch erfolgt, wissen, mit wem sie sprechen. Schließlich handelt das Unternehmen über diese Personen und muss sich deren Verhalten und mögliche (vertragliche) Versprechen und Zusicherungen zurechnen lassen. Es würde die Rechte der Verbraucher über Maß beschränken, wenn diese bei einer späteren Auseinandersetzung nicht den realen Namen der Person kennen würden, der für das Unternehmen in dessen Auftrag behandelt hat. So wäre beispielsweise eine korrekte Angabe der Daten dieser Person für eine Zeugenbenennung im Falle einer Klage unmöglich.

Für Unternehmer gilt: Weisen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit derartigen Akquisetätigkeiten beauftragt sind, darauf hin, dass sie ihren Realnamen angeben müssen.