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Vertragsstrafe bleibt – BGH schafft Klarheit beim Rücktritt im Bauträgervertrag

Haus im Bau begriffen mit Gerüst

BGH-Urteil zum Verhältnis von Rücktritt und Vertragsstrafe im Bauträgervertrag

Am 22. Mai 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer bedeutenden Entscheidung (Az. VII ZR 129/24) klargestellt, dass der Rücktritt vom Bauträgervertrag einen Anspruch auf bereits verwirkte Vertragsstrafe grundsätzlich nicht ausschließt. Die Entscheidung hat große Praxisrelevanz für Bau- und Werkvertragsrecht.

Sachverhalt: Bauverzögerung bei Sanierung eines Fabrikgebäudes

Im zugrunde liegenden Fall verpflichtete sich ein Bauträger, ein Fabrikgebäude zu einem Wohnhaus mit 27 Wohneinheiten umzubauen. Der Kaufpreis betrug 7,3 Mio. Euro. Vertraglich war eine Fertigstellung bis zum 17. Oktober 2020 vereinbart, verbunden mit einer Vertragsstrafe von ca. 1.300 Euro pro Tag, maximal 5% des Kaufpreises, für den Fall der Verzögerung.

Weiterhin war ein Rücktrittsrecht für beide Vertragspartner vorgesehen, sollte die Fertigstellung bis zum „Longstop-Datum“ 15. August 2022 nicht erfolgt sein. Die Bestellerin trat am 14. Dezember 2022 vom Vertrag zurück, da die Bauleistungen noch nicht abnahmefähig waren, und forderte zugleich die Vertragsstrafe.

Rechtliche Fragestellung: Wirksamkeit der Vertragsstrafe trotz Rücktritt

Strittig war, ob der Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe mit dem Rücktritt vom Vertrag erlischt oder weiterhin besteht. Nach den §§ 346 ff. BGB führt der Rücktritt zur Umwandlung des Vertragsverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis; die primären Leistungspflichten entfallen. Problematisch war, ob hierunter auch die bereits verwirkte Vertragsstrafe fällt.

Entscheidung des BGH: Vertragsstrafe bleibt bestehen

Der BGH hat entschieden, dass die Vertragsstrafe, wenn sie bis zum Rücktritt wirksam geworden ist, von diesem nicht berührt wird. Es gibt keine gesetzlichen Vorschriften, die den Anspruch auf bereits verwirkte Vertragsstrafe durch den Rücktritt ausschließen. Die Vertragsstrafe hat insbesondere zwei Funktionen:

  • Ausgleichsfunktion: Sie dient als pauschalierter Schadensersatz für den durch die Verzögerung entstandenen Schaden, der dem Gläubiger die Beweisführung erleichtert.
  • Druckfunktion: Sie soll den Schuldner motivieren, seine Leistungen fristgerecht zu erbringen.

Diese Funktionen blieben auch nach Eintritt des Rücktrittschutzes erhalten. Die Vertragsstrafe ist daher weiterhin vom Schuldner zu zahlen.

Praxisrelevanz für Bauträger und Bauherren

Für die Praxis bedeutet das Urteil eine klare Rechtsklarheit: Bauherren können bei Bauverzögerungen nicht nur vom Vertrag zurücktreten, sondern auch die vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe geltend machen. Umgekehrt schützt der Rücktritt den Bauträger nicht automatisch vor Schadensersatzansprüchen in der Form der Vertragsstrafe.

Dies unterstreicht die Bedeutung sorgfältiger Vertragsgestaltung, in der sowohl Rücktrittsrechte als auch Vertragsstrafenverpflichtungen klar geregelt werden sollten. Insbesondere sollte geprüft werden, ob abweichende Regelungen erwünscht sind, denn das dispositive Recht lässt den Vertragsparteien hier durchaus Gestaltungsspielraum.

Fazit

Das Urteil des BGH vom 22. Mai 2025 bestätigt die Selbstständigkeit des Vertragsstrafenanspruchs auch bei Rücktritt auf Grundlage eines Bauträgervertrags. Es sorgt für Rechtssicherheit und stärkt die Stellung der Bauherren bei Verspätungen. Für Bauträger heißt das, dass sie mögliche Vertragsstrafen sorgfältig kalkulieren müssen und Rücktrittsrechte der Vertragsparteien nicht zur automatischen Entlassung von Vertragsstrafenverpflichtungen führen.

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Bau- und Werkvertragsrecht sollten bei Verzögerungsgeschäften die Kombination beider Instrumente – Rücktritt und Vertragsstrafe – bewusst in Verträge einarbeiten und ihre Mandantschaft über die Tragweite dieses Urteils informieren.

BGH, Urteil vom 22. Mai 2025 – VII ZR 129/24

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Haftung des Bauherrn für die Lohnforderungen eines Arbeitnehmers des Subunternehmers?

Haftet ein Bauherr für die Lohnforderungen eines Arbeitnehmers des Subunternehmers?

Nein, sagt das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 03.05.2017, Az. 14 Ca 14814/16), jedenfalls dann nicht, wenn der Bauherr nicht als Bauträger anzusehen ist, der das Gebäude im Anschluss an die Errichtung unmittelbar veräußert, sondern es als Bauherr nach der Errichtung für eigene wirtschaftliche Zwecke nutzt.

Im Rahmen des Baus der Mall of Berlin am prestigeträchtigen Leipziger Platz in Berlin war ein Bauarbeiter im Jahr 2014 für einen Subunternehmer des Generalunternehmers tätig gewesen. Der Arbeiter hatte zunächst seinen Arbeitgeber auf Zahlung des Mindestlohns verklagt und diesen Prozess auch gewonnen. Seinen Anspruch durchsetzen konnte er jedoch nicht.

Nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) und dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) haftet auch der vom Bauherrn mit der Errichtung eines Bauvorhabens beauftragte Generalunternehmer, wenn ein Subunternehmer den Arbeitslohn der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer nicht zahlt.
Im vorliegenden Fall half diese Regelung dem Arbeiter jedoch nicht, da der Generalunternehmer inzwischen Insolvenz angemeldet hatte. Daraufhin entscheid sich der Bauarbeiter, nunmehr direkt den Bauherrn des Projekts, die HGHI Leipziger Platz GmbH & Co. KG, zu verklagen, da diese nach seiner Ansicht für die ausgebliebenen Lohnzahlungen hafte.

Es stellte sich die Frage, ob der Bauherr wie ein haftender Generalunternehmer bzw. nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als haftender Bauträger anzusehen sei. Denn das höchste deutsche Arbeitsgericht hatte 2012 (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2012, Az. 10 AZR 190/11) entschieden, dass auch ein Bauträger für die Einhaltung des Mindestlohn und die Abführung der Beiträge zur Sozialkassen der Bauwirtschaft durch den Subunternehmern hafte, wenn er Gebäude im eigenen Namen und auf eigene Rechnung errichte, um sie während oder nach der Bauphase zu veräußern (Leitsatz: „Ein Bauträger, der Gebäude im eigenen Namen und auf eigene Rechnung errichten lässt, um sie während oder nach der Bauphase zu veräußern, ist Unternehmer iSv. § 1a AEntG aF.“, Anmerkung: Die Regelung ist heute in § 14 AEntG enthalten).

Der klagende Bauarbeiter hatte vor dem Arbeitsgericht Berlin vorgetragen, die HGHI Leipziger Platz GmbH & Co. KG habe von Beginn an beabsichtigt, die sich in der Mall of Berlin befindlichen Geschäftsräume zu vermieten, sie sei damit einem Bauträger im vorgenannten Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gleichzustellen, der Bauherr hafte daher für den Mindestlohn und die Sozialabgaben der Subunternehmer des Generalunternehmers.

Dieser Argumentation folgte das Arbeitsgericht Berlin nicht. Es urteilte, dass ein „Bauträger“ im Sinne des AEntG und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur derjenige sei, der ein Gebäude errichte, um es anschließend gewinnbringend zu veräußern. Ein Bauherr, der im Anschluss an die Errichtung – zum Beispiel durch die Vermietung der Ladenlokale – einen dauerhaften wirtschaftlichen Nutzen aus dem Gebäude ziehe, sei zwar „Bauherr“, aber eben nicht „Bauträger“ im haftungsrechtlichen Sinne.

Das Urteil kann mit der Berufung angegriffen werden.

Die Ausweitung des Unternehmerbegriffs auf jedweden baubeauftragenden Auftraggeber entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. Die Bürgenhaftung des früheren § 1a und jetzigen § 14 AEntG sollte lediglich den Generalunternehmers in die Pflicht nehmen. Dieser sollte sich nicht durch mangelhafte Auswahl der Subunternehmer oder geschickt konstruierter Subunternehmerstrukturen der Haftung für den Mindestlohn und den Beiträgen zur Sozialkasse entziehen dürfen. Er sollte zudem darauf achten, dass die von ihm ausgewählten Unternehmer den Anforderungen der den Arbeiter schützenden Vorschriften des AEntG auch einhalten. Diese Haftung auf jedweden Bauherrn zu übertragen, würde das Risiko des Bauherrn für derartige Projekte immens erhöhen. Er muss darauf vertrauen können, mit sorgsamer Auswahl seines Generalunternehmers seiner Sorgfaltspflicht zu genügen.

Ob der Rechtsstreit in die nächste Instanz geht und wie diese entscheiden wird, ist schwer abzuschätzen.

Auch wenn dieses erstinstanzliche Urteil die Bürgenhaftung nicht ausgeweitet hat, ist dem Bauherrn für die Praxis zu raten, sich möglichst weitgehend durch entsprechende Vereinbarungen hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften und der Auswahl der Subunternehmer gegenüber dem Generalunternehmer abzusichern.

Auch wäre die Forderung nach einer Sicherheitsleistung denkbar. Für den Fall des Verstoßes gegen die Vereinbarungen zur sorgfältigen Auswahl der Subunternehmer bzw. zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften könnten außerordentliche Kündigungsrechte und Vertragsstrafen vereinbart werden. Diese könnten die Absicherung des Bauherrn über die ohnehin bestehenden Möglichkeiten des Bürgenregresses oder des Gesamtschuldnerausgleichs erweitern. Diese regelungen sollten einzelvertraglich vereinbart werden und nicht allein über standarisierte Einkaufs-, Auftrags- oder Geschäftsbedigungen.

Der Versuch einer Absicherung durch das vertragliche Abwälzen der Haftung allein auf den Generalunternehmer bzw. durch einen vertraglichen Haftungsausschluss ist wenig zielführend, da die Haftung nach dem AEntG zwingendes Recht ist. Am Ende muss jeder, der sich auf diesem Gebiet wirtschaftlich betätigt und die Umsetzung in die Hände Dritter legt, darauf achten, dass er bei der Auswahl der Unternehmer sorgfältig und gewissenhaft vorgeht. Erweckt bereits das Angebot  den Verdacht, dass dieses nur unter Umgehung zwingender arbeitnehmerschützender (Lohn-) Vorschriften kalkuliert werden konnte, sollte sich der vorsichtige Bauherr – trotz des jetzt gefällten Urteil des Arbeitsgerichts Berlin für den das Gebäude nutzenden Bauherrn- überlegen, ob er das Risiko der möglichen Haftung eingehen möchte.