Im vorliegenden Fall bot ein Telekommunikationsanbieter seinen Kundinnen und Kunden kurz nach Abschluss eines Festnetz- oder Internetvertrags eine vermeintlich attraktive Verlängerung an: Wer sich frühzeitig bereit erklärte, den Vertrag um weitere 24 Monate zu verlängern, erhielt eine Prämie von 20 Euro. Diese Praxis hatte zur Folge, dass Verbraucherinnen und Verbraucher insgesamt bis zu 48 Monate – und damit doppelt so lange wie gesetzlich zulässig – an einen Vertrag gebunden waren. Die Verbraucherzentrale NRW erkannte hierin einen klaren Verstoß gegen die verbraucherschützenden Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und erhob erfolgreich Klage auf Unterlassung.
Prozessverlauf
Nachdem die Verbraucherzentrale NRW erfolglos abgemahnt hatte, stellte bereits das Kammergericht Berlin (Urteil vom 22.05.2024, Az. 23 UKl 1/24) klar, dass das Vorgehen des Anbieters gegen § 309 Nr. 9 BGB verstößt. Demnach darf die maximale Vertragslaufzeit für Verbraucherverträge 24 Monate nicht überschreiten. Die anschließende Revision des Telekommunikationsanbieters beim Bundesgerichtshof blieb ebenfalls erfolglos. Mit Urteil vom 10. Juli 2025 (Az. III ZR 61/24) wies der BGH die Revision zurück und bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz – damit ist das Urteil rechtskräftig.
Entscheidungsgründe
Der BGH unterstreicht: Die zulässige Höchstbindung von 24 Monaten gilt sowohl für den Erstabschluss eines Vertrags als auch für etwaige Verlängerungen. Entscheidend ist der Zeitpunkt der jeweiligen Verlängerung – ab diesem darf sich keine über die 24-Monats-Grenze hinausgehende Bindung ergeben. Ein „Anhängen“ einer neuen Vertragslaufzeit an eine bestehende Restlaufzeit – mit dem Ergebnis einer bis zu 48 Monate währenden Bindung – ist unzulässig und widerspricht dem Gesetzeszweck.
Gesetzliche Grundlagen
Mit Blick auf § 56 TKG („anfängliche Laufzeit“) sowie § 309 Nr. 9 BGB differenziert der BGH: Die Begrenzung auf 24 Monate betrifft nicht nur die ursprünglich vereinbarte Mindestlaufzeit, sondern auch jede später aktiv vereinbarte Verlängerung. Andernfalls könnten Anbieter durch wiederholtes Verlängern de facto eine endlose Bindung schaffen und so den Wettbewerb aushebeln.
Wettbewerbsrechtliche Überlegungen
Der BGH betont zudem, dass die Bindungshöchstdauer von zwei Jahren den Wettbewerb sichern soll: Verbraucherinnen und Verbraucher müssen spätestens nach Ablauf von 24 Monaten die Möglichkeit haben, erneut am Markt als Nachfrager aufzutreten. Würde man längere Bindungen ermöglichen, würde dies den Wettbewerb zu Lasten der Verbraucher eindeutig verzerren.
Einordnung und praktische Auswirkungen
Für Verbraucher bringt das Urteil eine bemerkenswerte Stärkung ihrer Rechte: Sie sind künftig vor ungewollten Kettenverträgen und unangemessen langen Vertragsbindungen besser geschützt. Für Telekommunikationsunternehmen – aber auch für sonstige Branchen mit vergleichbaren Laufzeitmodellen, etwa im Pay-TV-Bereich – bedeutet das Urteil, dass trickreiche Verlängerungsklauseln und Prämienmodelle, die zu einer übersetzten Bindungsdauer führen, rechtlich nicht mehr haltbar sind.
Fazit:
Das Urteil des BGH konkretisiert und verschärft die Maßstäbe zur zulässigen Vertragslaufzeit im Telekommunikationsrecht und wirkt zugleich auf andere verbraucherschutzrechtliche Dauerschuldverhältnisse aus.
• Verträge mit einer Gesamtlaufzeit von mehr als 24 Monaten gegenüber Verbrauchern sind grundsätzlich unwirksam – unabhängig davon, ob die langfristige Bindung durch wiederholte freiwillige Verlängerungen entstanden ist.
• Vertragsklauseln, die eine längere Bindungsdauer vorsehen, sind rechtlich angreifbar; betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher können die vorzeitige Beendigung verlangen.
• Es empfiehlt sich, Angebote zur Vertragsverlängerung besonders kritisch zu prüfen und – im Zweifel – anwaltlichen Rat einzuholen.
Das Urteil setzt ein deutliches Zeichen zugunsten von Transparenz und Verbraucherschutz bei massenhaft abgeschlossenen Dauerschuldverhältnissen und sorgt für mehr fairen Wettbewerb am Telekommunikations- und Medienmarkt.
