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Bewertungsportale im Internet – Vorabprüfungspflicht der Beiträge durch die Portalbetreiber und Auskunftspflicht über Nutzer?

Die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 19.03.2015 – I ZR 94/13 (Vorabprüfungspflicht durch die Portalbetreiber) und 01.07.2014 – VI ZR 345/13 (Auskunftspflicht über Nutzer).

Wer einen Artikel bei eBay verkauft, weiss: Am Ende erhält man oftmals eine Bewertung vom Käufer. Diese Bewertungen nehmen andere Käufer häufig als Entscheidungsgrundlage für ihre Kaufabsicht.

Ebenso erfreuen sich Bewertungsportal für Dienstleister, Firmen oder Hotels großer Beliebtheit. Viele Selbständige suchen aktiv den Weg in die Bewertungsportale, da sie sich über positive Kommentare und gute Note einen Zuwachs an Kunden versprechen. Negative Kritik dagegen ist naturgemäß weniger gern gesehen. Hinzu kommt, dass vielfach die Inanspruchnahme der jeweiligen Dienstleistung nicht einmal Voraussetzung für die Abgabe einer Bewertung ist. Somit wird – mag dies auch von den Portalen über ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen und vom Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verboten sein – beispielsweise Wettbewerbern die Möglichkeit gegeben, negative Kritiken oder gar Schmähkritiken auf diesen Bewertungsportal zu hinterlassen.

Hinzu kommt, dass es meist viele positive Bewertung braucht, um sich ein positives Image aufzubauen, aber dass es nur einer negativen Kritik bedarf, um die vielen positiven wieder hinfällig zu machen. Oftmals fühlen sich auch Leute, die bislang eher weniger kritisch waren, durch eine erste negative Bewertung dazu ermutigt, ihrerseits eine negative Kritik anzubringen.

Die Frage, ob die Bewertung von Dritten, die ohne ihr Zutun oder ohne ihre ausdrückliche Zustimmung auf Portalen benotet werden, überhaupt rechtmäßig ist, wurde bereits mehrfach von der Rechtsprechung positiv beantwortet. Die sich gegenüber stehenden Interessen sind dabei auf der einen Seite das Recht des Portalnutzers, seine Meinung frei zu äußern und auf der anderen Seite das Recht des Bewerteten auf informationelle Selbstbestimmung. Die Gerichte räumen dem Einzelnen im Rahmen der ihm zustehenden Kommunikationsfreiheit grundsätzlich ein, derartige Bewertungen abzugeben, solange diese sachlich und keine Schmähkritik sind (beispielsweise BGH-Urteil vom 23. Juni 2009, VI ZR 196/08). Die in der Besprechung veröffentlichten Tatsachen müssen wahr sein. Verstößt der bewertende Nutzer gegen diese Grundsätze, hat der Benotete ein Recht auf Löschung, da in dem Fall sein allgemeines Persönlichkeitsrecht vorgeht. Eine Pflicht, derartige Bewertung zu löschen, ergibt sich für den Portalbetreiber jedoch erst ab dem Moment, in dem er Kenntnis von der jeweiligen Bewertung hat.
Das bürgerliche Recht kennt vielfach den Begriff „Kennen oder Kennenmüssen“.

§ 122 Abs. 2 BGB definiert diesen Begriff wie folgt:
Die Schadensersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Beschädigte den Grund der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (kennen musste).

Trifft auch die Portalbetreiber eine solche Pflicht, mögliche rechtswidrige Bewertungen kennen zu müssen und damit eine Vorabprüfung durchführen zu müssen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, fahrlässig  zu handeln?

Vorliegend hat die Rechtsprechung für die Portalbetreiber keine derartige Pflicht bezüglich verbotener negativer Bewertungen gefordert. Die Portalbetreiber müssen also nicht jede einzelne Bewertung vor der Veröffentlichung darauf prüfen, ob sie gegebenenfalls eine Schmähkritik enthält oder ob die darin behaupteten Tatsachen wahr sind (für in Hotelbewertungsportal: BGH, Urteil vom 19.03.2015 – I ZR 94/13, Pressemitteilung 41/215 des Bundesgerichtshofs) nun hat.

Im Sommer 2014 bereits hatte der BGH (Urteil vom 1. Juli 2014, Az. VI ZR 345/13) die Frage zu beantworten, ob die Portale eine Auskunftspflicht hinsichtlich der Identität der Verfasser solcher Bewertungen, die gelöscht werden müssen, trifft. Ein Arzt hatte dies vom Bewertungsportal Sanego gefordert. Ein Nutzer hatte unwahre Tatsachen über den Mediziner verbreitet. Zwar wurden diese Bewertungen auf eine Beschwerde hin gelöscht. Als jedoch die negativen Bewertungen erneut eingestellt wurden, verlangte der Arzt die personenbezogenen Daten des Nutzers. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte den Portalbetreiber Sanego zunächst dazu verurteilt, derartige falsche Behauptung zeitnah zu löschen oder durch eine automatisierte Vorabprüfung sicherzustellen, dass diese nicht erneut eingestellt würden.

Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass zwar ein Anspruch auf Löschung bestehe, aber der Arzt keinen Anspruch gegen das Portal auf Herausgabe des Namens oder anderer personenbezogener Daten des Nutzers habe.

Dazu erklärte der BGH, dass der Betreiber eines Internetportals mangels einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Absatz 2 TMG nicht befugt sei, diese Daten ohne Einwilligung des Nutzers an Betroffene zu übermitteln. § 12 Absatz 2 TMG sehe ausdrücklich vor, dass der Diensteanbieter erhobene personenbezogene Daten nur für andere Zwecke verwenden dürfe, soweit das Telemediengesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien beziehe, dies erlaube oder der Nutzer eingewilligt habe. Liegt eine solche Ermächtigungsgrundlage nicht vor, darf der Diensteanbieter ohne die Einwilligung des Nutzers die Daten nicht an Dritte übermitteln. Auch der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben § 242 BGB hergeleitete allgemeine Auskunftsanspruch stelle keine solche Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Abs. 2 Telemediengesetzes dar.

Anders liegt der Fall, wenn derartige Auskünfte von Seiten der Strafverfolgungsbehörden eingefordert werden. Diese haben im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens ein entsprechendes Auskunftsrecht gegenüber den Portalen. Diese Ansicht ist zu begrüßen. Denn sie knüpft die Herausgabe der Daten an einen Anfangsverdacht der Ermittlungsbehörden und damit an die Kriterien des Strafrechts. Auch der Bewertete ist nicht schutzlos. Er kann die Löschung auf zivilrechtlichem Wege verlangen und durch entsprechende Anzeigen bzw. Anträge die strafrechtlichen Ermittlungen initiieren, in deren Rahmen die Verfolgungsbehörden Auskünfte über die Daten des Nutzers einholen können