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Prämientickets beim Vielfliegerprogramm Miles&More OLG Köln (5 U 46/12)

Interessantes Urteil des OLG Köln (5 U 46/12) vom heutigen 12. Juni 2013 zu den Prämientickets beim Vielfliegerprogramm Miles&More:

Bei der Frage, ob der Weiterverkauf von Miles&More-Bonusmeilen aufgrund der AGB wirksam untersagt werde könne, müsse man zum einen zwischen den noch nicht eingelösten Bonusmeilenund Prämientickets, für die Bonusmeilen eingelöst wurden, unterscheiden.

Letztere dürfen nach dem Urteil des OLG Köln weiterverkauft werden. Zwar könne der Anbieter des Prämienprogrammes den Weiterverkauf nicht eingelöster Punkte grundsätzlich untersagen, aber er könne dieses Verbot nicht gleichzeitig an ein Verbot des Verkaufs der mit Prämienpunkten erstandenen Tickets binden. Den Verfall der Prämienpunkte nach 36 Monaten erklärte das OLG Köln dagegen für rechtmässig. Die Sache wird wohl nun zum BGH gehen. Das OLG Köln jedenfalls hat die Revision zugelassen. Wer sich mit dem Gedanken trägt, Prämientickets zu verkaufen, sollte wissen, dass gemäß der Miles&More AGB ein Ausschluss aus dem Programm droht. Dem ist das OLG Köln zwar entgegengetreten, aber ob das der BGH ebenso wie das OLG Köln sieht, ist ungewiß.

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Verkürzung der Gewährleistungsfrist bei Gebrauchtwagenkauf auf ein Jahr

Die Rechtsprechung ist nicht neu, aber für Gebrauchtwagenkäufer und -verkäufer interessant. Vor wenigen Tagen, am 29. Mai 2013, hat der BGH (VIII ZR 174/12) entschieden, dass eine ausnahmslose Begrenzungen der Gewährleistung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf ein Jahr unzulässig sei. Eine entsprechende Klausel in den AGB könne auch nicht auf das zulässige Maß reduziert werden könnte. Wichtig ist hier das Wort „ausnahmslos“.

Dem Urteil lag folgender Fall zugrunde: Ein Käufer hatte im August 2006 einen Gebrauchtwagen von einem Autohändler erstanden, durch diesen eine Flüssiggasanlage einbauen lassen und den Wagen am 12. Oktober 2006 erhalten. Anschließende Reparaturversuche an der Flüssiggasanlage von Juni 2007 bis August 2008 blieben erfolglos. Schließlich setzte der Käufer dem Verkäufer am 16. Oktober 2008 eine letzte Frist zur Reparatur und kündigte an, ansonsten die Reparatur in einem anderen Betrieb durchführen zu lassen. Diese Frist verstrich ergebnislos. Nun klagte der Käufer auf Erstattung der zu erwartenden Reparaturkosten in Höhe von ca. 1.300 Euro sowie auf Schadensersatz und Erstattung von entstandenen Rechtsanwaltskosten.
Der Verkäufer wandte ein, die Ansprüche des Käufers wegen der Mängel seien verjährt und berief sich dazu auf seine AGB. Dort war in Bezug auf Gebrauchtwagen und –anhänger zu lesen: „Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.“

Dieser Argumentation folgten auch das AG Nienburg im April 2011 und das LG Verden ein Jahr später. Nicht so der BGH.

Zwar kann ein Verkäufer gebrauchter Sachen die Ansprüche des Käufers wegen Mängel (§ 437 BGB) grundsätzlich durch Vereinbarung mit dem Käufer wirksam auf 1 Jahr beschränken (§ 475 Abs. 2 BGB). Aber er hat nichtsdestotrotz die gesetzlichen Regelungen zu den AGB zu beachten. Und dort gibt es gewisse Verbote, in § 309 BGB sogar welche ohne Wertungsmöglichkeit. Unter anderem ist festgelegt, dass die Haftung für Schäden aus der Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit nicht durch AGB ausgeschlossen werden dürfe. Zwar war in einem anderen Absatz der AGB des Verkäufers, in dem es um die Haftung ging, niedergelegt, dass die Haftungsbeschränkungen nicht bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit gelten sollten.

Das jedoch reicht nicht. Denn die Ausnahme für die Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit war weiterhin zeitlich durch die Jahresfrist aus der anderen AGB Klausel eingeschränkt. Verpasst es der Verkäufer bei Begrenzung der Käuferrechte wegen Mängel auf ein Jahr die Verletzung aus Leben, Körper und Gesundheit aus der Begrenzung herauszunehmen, so ist die Klausel insgesamt unwirksam. Sie kann auch nicht auf den kleinsten zulässigen Nenner reduziert werden, sondern wird behandelt, als sei sie nicht vereinbart.

Damit konnte sich der Verkäufer nicht mehr auf die einjährige Verjährungsabrede aus seinen AGB berufen, es galt stattdessen die gesetzliche zweijährige Verjährung. Zu entscheiden, ob diese im Oktober 2008 schon eingetreten oder durch die Verhandlungen der Parteien über die Mängel gehemmt war, überließ der BGH dem Berufungsgericht, an das es die Sache zurückverwiesen hat.

Will man also in seinen AGB die gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren wirksam beschränken, sollte man diese Schadensersatzansprüche ausdrücklich von der Beschränkung ausnehmen.


Update 29.04.2015: Inzwischen hat sich der BGH erneut mit der Problematik befasst und auch die neuen Muster AGB des Zentralverbandes des Kraftfahrzeuggewerbes (ZdK) in den Bereichen Verkürzung der Verjährungspflicht für unwirkam erklärt, da sie missvrständlich formuliert seien. Unzulässige Verkürzung der Gewährleistungspflicht beim Gebrauchtwagenkauf (BGH Urteil vom 29.04.2015)

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Rechtfertigen fehlende Angaben zur Berufspflicht im Impressum von Anwälten eine Abmahnung?

Die Angaben zur Berufshaftpflicht und dem Geltungsbereich findet man heutzutage in fast jedem Impressum eines Internetauftritts einer Rechtsanwaltskanzlei. Das Landgerichts Dortmund befasst sich in einem Urteil vom 26. März 2013 (AZ: 3 O 102/13) mit der Frage, ob -neben den Angaben, die das Telemediengesetz (TMG) erfordert- auch bestimmte Information nach der „Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer“ (DL-InfoV) zwingend dort enthalten sein müssen.

Im Ergebnis sagt das LG Dortmund das, was jeder Jurist gerne sagt: Es kommt darauf an.
Oder anders: Eigentlich nicht, es sei denn, die Kanzlei übt ihre anwaltliche Dienstleistung im Internet selbst aus.

Konkret hatte ein Rechtsanwalt als Verfügungskläger bemängelt, dass die verfügungsbeklagte Kanzlei in ihrem Impressum keine Angaben zu ihrer Berufshaftpflichtversicherung und dem räumlichen Geltungsbereich gemacht habe. Die DL-InfoV fordert in § 2 „Stets zur Verfügung zu stellende Informationen“ unter Absatz 1 Nr. 11 , dass unbeschadet weiter gehender Anforderungen aus anderen Rechtsvorschriften ein Dienstleistungserbringer einem Dienstleistungsempfänger vor Abschluss eines schriftlichen Vertrages oder, sofern kein schriftlicher Vertrag geschlossen wird, vor Erbringung der Dienstleistung für den Fall, dass eine Berufshaftpflichtversicherung besteht, Angaben zu dieser, insbesondere den Namen und die Anschrift des Versicherers und den räumlichen Geltungsbereich in klarer und verständlicher Form zur Verfügung stellen muss. Dies –so der Verfügungskläger- hätten die Verfügungsbeklagten unterlassen.

Das LG Dortmund stellt klar, dass die Angabe im Internetauftritt im vorliegenden Fall nicht zwingend sei.
§ 2 Absatz 2 DL-InfoV gestatte dem Dienstleister vielmehr wahlweise, diese Informationen
1. dem Dienstleistungsempfänger von sich aus mitzuteilen,
2. am Ort der Leistungserbringung oder des Vertragsschlusses so vorzuhalten, dass sie dem Dienstleistungsempfänger leicht zugänglich sind,
3. dem Dienstleistungsempfänger über eine von ihm angegebene Adresse elektronisch leicht zugänglich zu machen oder
4. in alle von ihm dem Dienstleistungsempfänger zur Verfügung gestellten ausführlichen Informationsunterlagen über die angebotene Dienstleistung aufzunehmen.

Dies könne beispielsweise auch durch einen Aushang in den Geschäftsräumen, der leicht zu sehen sein muss, geschehen.

Da die Verfügungsbeklagten behauptet hatten, die relevanten Informationen zur Berufshaftpflicht hätten im Wartezimmer ihrer Kanzlei an der Wand ausgehangen und sich zudem in einer Mappe auf einem Tisch im Wartezimmer befunden, der beweispflichtige Verfügungskläger das Gegenteil nicht nachweisen konnte, musste der Verfügungskläger unterliegen.

Anderes würde nach dem LG Dortmund dann gelten, wenn die Kanzlei ihre Dienstleistungen im Internetselbst erbringen würde, denn § 2 Abs. 1 DL-InfoV fordert, dass die Informationen vor einem Vertragsschluss oder vor Dienstleistungserbringung dem Empfänger zur Kenntnis gebracht werden müssen. Dies hat zur Folge, dass der Dienstleistungserbringer in seiner Wahl nach § 2 Abs. 2 DL-InfoV eingeschränkt ist und einen Weg wählen muss, die Informationen vorab zur Kenntnis zu bringen. Ein Aushang in den Geschäftsräumen reicht dann nicht aus.
Dient ein Internetauftritt eine Kanzlei ausschließlich der Mandanteninformation und –akquise, ist eine solche Dienstleistungserbringung im Internet selbst noch nicht anzunehmen.

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Geschäftsraummiete und Anforderungen an die Minderung bei Minderfläche

In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 18. Juli 2012 (XII ZR 97/09) grenzte sich der XII. Zivilsenat gegenüber älteren Urteilen des VIII Senats ab (Abgrenzung zu den BGH Urteilen vom 24. März 2004 – VIII ZR 295/03 und vom 10. März 2010 – VIII ZR 144/09): Es ging es um die Frage, wann und wie weit bei Gewerberaummiete wegen einer sogenannten Minderfläche die Miete gemindert werden kann.

Von einer Minderfläche spricht man, wenn die tatsächliche Fläche nicht der im Mietvertrag vereinbarten Fläche entspricht. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dieses regelmäßig einen Mangel im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB (http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__536.html) darstellt, der nach gleichem Paragraph (Abs. 1 Satz 2) zur angemessenen Herabsetzung der Miete berechtigt.
Die zunächst für den Wohnraummietvertrag entwickelten Grundsätze der Herabsetzung der Miete bei Minderflächen gelten nach Ansicht des BGH auch für Mietverträge über Gewerbefläche und Geschäftsräume. Wichtig für den Mieter ist, dass allein die Tatsache der (bei „ca.-Angaben“ nicht nur unerheblichen) Minderfläche den Minderungsanspruch begründet. Er muss für den Anspruch als solchen nicht noch zusätzlich beweisen, dass durch die Minderfläche etwa die Tauglichkeit oder der zweckbestimmte Gebrauch der Mietsache eingeschränkt sind.

Im vorliegenden Fall des BGH war die qm-Angabe mit einem „ca.“ versehen. Dazu hatten beide Parteien ein gewisses Maß an Abweichung zu tolerieren. Die Toleranzgrenze war jedoch bei einer Differenz von 10% erschöpft.

Der Unterschied zwischen Wohnraummiete und Gewerbemiete kam bei der Art der Fläche zum Tragen. Während bei Wohnraumflächen die Kellerräume als Zubehörräume erst gar nicht der Grundfläche zugerechnet werden, ergibt sich bei Gewerberäumen eine größere Freiheit.
Der BGH urteilte nun in seinem Leitsatz: „Lässt sich im Fall einer Unterschreitung der vertraglich vereinbarten Fläche bei der Geschäftsraummiete die Minderfläche eindeutig Nebenräumen (hier: Kellerräume) zuordnen, so darf die Minderung nicht pauschal nach dem prozentualen Anteil der fehlenden Fläche an der vertraglich vereinbarten Gesamtfläche berechnet werden.“ Vielmehr müsse eine angemessene Herabsetzung des Mietzinses den geringeren Gebrauchswert dieser Räume in Rechnung stellen.

Damit schließt also die Tatsache, dass es sich „nur“ um Kellerräume handelt, den Mangel nicht aus. Eine Berücksichtigung dieser Tatsache ergibt sich jedoch bei der Minderungshöhe. Anknüpfungspunkt ist, dass § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB den Mieter berechtigt, die Miete „angemessen“ herabzusetzen. Aus dieser Anforderung schloss der BGH, dass eine reine quantitative Betrachtung (Anteil der Kellerräume an der Gesamtfläche = Minderungsanteil) nicht angemessen sei, sondern dass dazu auch die Frage wichtig sei, in welchem Ausmaß die Minderfläche in Bezug auf die Gesamtfläche eine Gebrauchsbeeinträchtigung darstelle. Da Kellerräume regelmäßig einen geringeren Nutzen aufweisen, könne die Minderung auch nicht 1:1 in Bezug auf die Gesamtfläche angesetzt werden.
Erweist sich allerdings, dass in einem konkreten Fall Kellerräume die gleiche Relevanz und den gleichen Nutzwert für den Mieter haben wie die anderen Geschäftsräume, stünde einer reinen flächenmäßigen Berechnung der Minderung nichts im Wege. Dies war aber im vorliegenden Fall nicht gegeben. Hier war durch die dem Gericht vorliegenden Mietverträge eindeutig, dass die Kellerräume „nur“ als Lager angemietet worden waren und somit (im Vergleich zu einem Gastraum und anderen Nebenräumen des Ladenlokals) einen geringeren Nutzwert für den Mieter aufwiesen.

Die genannten Grundsätze gelten jedoch zunächst nur bei Gewerberäumen. Wie erwähnt sieht es bei Mietverträgen über Wohnraum anders aus: Zum einen ist es in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass bei Wohnraummietverträgen der Minderanteil rein flächenmäßig als Minderungsanteil angesetzt werden darf, mithin keine Unterscheidung nach dem Nutzwert der Minderfläche zu treffen ist (BGH, Urteil vom 10. 3. 2010 – VIII ZR 144/09: „Denn ein zur Minderung berechtigender Mangel der Mietsache ist allein schon dann anzunehmen, wenn die tatsächliche Fläche von der im Mietvertrag angegebenen Quadratmeterzahl um mehr als 10% nach unten abweicht […]. Ist dies der Fall, so ist auch die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert, ohne dass es auf einen Nachweis einer konkreten Beeinträchtigung des Mieters durch die Flächenabweichung ankommt […].). Zum anderen wäre eine Konstellation wie im besprochenen Fall bei Wohnraummietverträgen schon deshalb nicht möglich, weil dort die Kellerräume nicht zur Betrachtung der Gesamtfläche hinzugezogen würden

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Bedroht die „GEMA-Vermutung“ das Recht des Künstlers auf Nutzung eines Pseudonyms?

In der Regel (und komplizierte Fragen der sogenannten Beweislastumkehr einmal außen vor gelassen) ist es im deutschen Zivilrecht so, dass derjenige, der etwas von einem anderen will, auch die Tatsachen beibringen muss, die diesen Anspruch begründen.

Nach diesem Grundsatz müsste die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte / GEMA eigentlich, erst einmal gegenüber dem, vom dem sie etwas will (meist die Gebühren), nachweisen, dass sie (die GEMA) den entsprechenden Künstler vertritt bzw. dieser die GEMA überhaupt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hat.
Diese sogenannte „GEMA-Vermutung“ dreht die gerade beschriebene Regel aber von Beginn an um und stellt fest, dass jeder, der bspw. Musik öffentlich aufführt oder gewerblich nutzt und der Ansicht ist, dafür keine GEMA Gebühren zahlen zu müssen, gegenüber der GEMA nachweisen muss, dass die GEMA keinen Anspruch hat.

Die Vermutung pro GEMA ist zum einen seit langem durch die deutsche Rechtsprechung begründet (bspw. Urt. d. BGH vom 24.06.1955, I ZR 178/53, „Betriebsfeier“ oder Urt. d. BGH v. 05.06.1985, I ZR 53/83 „GEMA-Vermutung I“). Eine GEMA-Vermutung findet sich –wenn auch etwas verklausuliert- ebenfalls im Gesetz wieder: Nach den § 48   Verwertungsgesellschaftengesetz (das Verwertungsgesellschaftengesetz löste am 01.06.2016 das ehemalige Urheberrechtswahrnehmungsgesetz ab, im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz  war die Vermutung in § 13c geregelt), wird vermutet, dass im Falle einer Geltendmachung eines Auskunftsanspruches durch eine Verwertungsgesellschaft (der nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann) die Verwertungsgesellschaft die Rechte aller Berechtigten wahrnimmt. Nach und § 49 Verwertungsgesellschaftengesetz wird vermutet, dass eine Verwertungsgesellschaft, die bestimmte Vergütungsansprüche geltend macht, die Rechte aller Berechtigten wahrnimmt.

Keinen Anspruch dagegen hat die GEMA in der Regel, wenn es sich um sogenannte GEMA-freie Stücke handelt. Bei GEMA-freier Musik hat der Künstler, der die Musik komponiert und eingespielt hat (und ggf. alle weiteren Beteiligten), keinen Wahrnehmungsvertrag mit der GEMA geschlossen, d.h. er hat die GEMA nicht damit beauftragt, seine Interessen wahrzunehmen.
Um diese GEMA-Freiheit nachzuweisen, muss der Nutzer der Stücke mindestens Komponist, Texter, Bearbeiter und weitere Beteiligte wie z.B. den Verlag benennen. Am besten weist der Nutzer mit einem Vertrag, den er mit den Vorgenannten geschlossen hat, nach, dass das entsprechende Werk GEMA-frei ist.

Bleiben Zweifel an der GEMA-Freiheit des Stückes und kann der Nutzer diese nicht entkräften, spricht die Vermutung dafür, dass es sich um ein Werk handelt, für das die GEMA Wahrnehmungsinteressen hat, was zur Folge hat, dass die GEMA entsprechende Gebühren verlangen kann.

Vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main (Az 32 C 1286/12) stritten nun die GEMA und der Verein MUSIKPIRATEN e.V. um die Frage, ob der durch die GEMA verklagte Verein die echten Namen von Künstlern nennen müsse, die ihre Musik unter Pseudonymen veröffentlicht hatten.

Bei den MUSIKPIRATEN (musikpiraten-ev.de) handelt es sich um einen Verein, der nach eigener Darstellung die freie Kultur mit Schwerpunkt Musik als künstlerischem Ausdrucksmittel fördern möchte. Seinen Ursprung hat er bei Musikern sowie Anhängern der Piratenpartei Deutschland. Grundlage des Vereins ist es, die Veröffentlichung und die öffentliche Aufführung von Musikstücken zu fördern, die seitens der Künstler unter eine Lizenz der Creative-Commons gestellt wurden. Auf den von den MUSIKPIRATEN veranstalteten öffentlichen Festivals sollen ebenso nur Werke aufgeführt werden, die unter eine Lizenz der Creative-Commons stehen.

Creative-Commons ist dabei ein Sammelbegriff für verschieden Lizenzen, die mal freier, mal enger die Rechtevergabe seitens der Urheber umschreiben. Teilweise wird die freie Nutzung inklusive der Namensnennung der Urheber gefordert, teilweise kann auch die Veränderung des Werkes erlaubt sein, manche Creative-Commons Lizenzen schränken die Nutzung auf den nicht-kommerziellen Bereich ein. Obwohl es also nicht nur eine Creative-Commons Lizenz gibt, sondern diverse spezielle Creative-Commons Lizenzen, wird der Einfachheit halber im Folgenden von einer Creative-Commons Lizenz gesprochen.

Nachdem der Verein einen Zusammenschnitt eines seiner derart organisierten Festivals ebenfalls unter einer Creative-Commons Lizenz herausgegeben hatte, verlangte die GEMA die Offenlegung der echten Namen (Klarnamen) zweier Mitglieder der Band „texasradiofish“, die ihre Werke unter ihren Künstler-Pseudonymen veröffentlichten hatten. Sie wolle anhand der Klarnamen überprüfen, ob es sich tatsächlich um GEMA-freie Musik handele. Eine Überprüfung allein anhand von möglicherweise wechselnden Pseudonymen stelle einen zu großen Verwaltungsaufwand dar und sei mit der Verpflichtung der GEMA zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Künstler nicht vereinbar. Die MUSIKPIRATEN hatten zwar eine schriftliche Erklärung der Künstler, dass die Werke GEMA-freie Stücke seien, weigerten sich jedoch, die Klarnamen der Künstler gegenüber der GEMA offen zu legen.

Die GEMA übersandte dem Verein daraufhin eine Rechnung in Höhe von 68,00 Euro.

An dieser Stelle kommt nun die GEMA-Vermutung ins Spiel: Nicht die GEMA müsse den MUSIKPIRATEN nachweisen, dass die entsprechenden Künstler einen Wahrnehmungsvertrag mit der GEMA haben, sondern der Verein müsse gegenüber der GEMA zweifelsfrei nachweisen, dass die Künstler keinen Wahrnehmungsvertrag mit der GEMA geschlossen hätten, argumentierte die GEMA. Es spreche eine Vermutung für einen Anspruch der GEMA auf Gebühren. Ohne Nennung der Klarnamen der Künstler könne diese Vermutung auch nicht eindeutig widerlegt werden. Der Nachweis durch die Musikpiraten, der alleine die Pseudonymen der Musiker enthalte, genüge diesen Anforderungen nicht. Die Folge sei, dass die GEMA berechtigt sei, Gebühren zu verlangen.

Die MUSIKPIRATEN ihrerseits verwiesen auf die durch das Urheberrecht gesicherte Möglichkeit eines Künstlers, unter Künstlernamen und Pseudonymen wie auch in anonymer Weise Werke zu veröffentlichen. Nach § 13 Urhebergesetz (http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__13.html) kann ein Künstler sein Werk mit einer Urheberbezeichnung versehen und bestimmen, welche Bezeichnung (z.B. Künstlername / Pseudonym) zu verwenden ist. § 138 Urhebergesetz (http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__138.html) stellt klar, dass auch anonyme und pseudonyme Werke in ein dafür vorgesehenes Register beim Patentamt angemeldet werden können.

Mit Urteil vom 27. August 2012 folgte das Amtsgericht Frankfurt am Main der Argumentation der GEMA und gab der Klage statt. Es verurteilte den Verein MUSIKPIRATEN e. V. zur Zahlung von 68,00 € nebst Zinsen. Da allerdings der Sache grundsätzliche Bedeutung zukäme, ließ das Amtsgericht gleichzeitig eine Berufung vor dem Landgericht zu. Es ist davon auszugehen, dass der Verein MUSIKPIRATEN in Berufung gehen wird.

Nun hätte der ganze Rechtsstreit (auch angesichts des Streitwertes von 68,00 Euro) sicherlich durch Nennung der Klarnamen verhindert werden können. Dem Verein MUSIKPIRATEN geht es in der Sache jedoch um die grundsätzliche Frage, ob die Creative Common Lizenzen zukünftig nur noch den Künstlern zur Verfügung stehen werden, die zumindest gegenüber der GEMA auf ihr urheberrechtlich verbrieftes Recht auf Veröffentlichung unter einem Künstlernamen verzichten. Dem hält die GEMA entgegen, dass die Weitergabe des Namens ja lediglich an die GEMA erfolge, eine Veröffentlichung seitens der GEMA nicht stattfinde und der Datenschutz bei der GEMA sehr hoch geschrieben werde.

Zwar ist derzeit nicht unbedingt zu erwarten, dass die höheren Gerichte die GEMA-Vermutung kippen werden, jedoch ist es möglich, dass sie sich –wie ggf. auch das Amtsgericht Frankfurt am Main in seinem noch zu verfassenden schriftlichen Urteil- mit der Frage auseinander setzen werden, ob die Vermutung in ihrer bisher gehandhabten Form auch zu einer Zeit gelten kann, in der völlig neue Instrumente der Rechtevergabe existieren und aktiv von Künstlern genutzt werden. Es wird interessant sein zu beobachten, ob bereits das Amtsgericht darauf eingehen wird, dass die Rechtsprechung zur GEMA-Vermutung weit vor der Gründung der Creative-Commons oder anderer Organisation, die sich mit neuen Formen der Lizenzvergabe beschäftigen, entstanden ist. Andererseits kann es allerdings auch passieren, dass das Amtsgericht und gegebenenfalls auch höhere Gerichte diese Frage vollkommen außen vor lassen und allein das Interesse der GEMA an einer ordnungsgemäßen Umsetzung ihres Wahrnehmungsauftrages gegen das Interesse des Künstlers auf Wahrung seines Klarnamens auch gegenüber einer Organisation abwägen. Sollte hier die GEMA die Gerichte überzeugen, dass der Klarname in ihren Händen gut geschützt und eine Veröffentlichung ausgeschlossen ist, so könnte die Abwägung auch bei Fortgang des Prozesses für die GEMA positiv ausfallen