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Kanzlei als Mieterin muss massive Umbauarbeiten nicht dulden (OLG Frankfurt am Main)

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat am 12.03.2019 (Az.: 2 U 3/19) geurteilt, dass eine Rechtsanwaltskanzlei als Mieterin während des Mietverhältnisses verlangen kann, dass der Vermieter keine lärm-, erschütterungs- und staubintensiven Umbau- und Modernisierungsarbeiten im gesamten Haus durchführt.
Die Rechtsanwaltskanzlei hatte befristet bis Ende 2023 Büroräume im 4. OG einer Gewerbeimmobilie im Frankfurter Westend gemietet. Nachdem die beklagte Eigentümerin die Immobilie 2018 erworben hatte, baten sie die die Rechtsanwälte, das Mietverhältnis vorzeitig aufzulösen, da sie das Gebäude umfassend für eine Nutzung als Bank umbauen wollten.
Der vorzeitigen Auflösung des Mietvertrages stimmten die Rechtsanwälte nicht zu. Auch eine angebotene Abstandszahlung konnte sie nicht dazu bewegen. Daraufhin kündigte die neue Eigentümerin mehrfach umfangreiche Umbau- und Modernisierungsarbeiten an.

Ab November 2018 führte die Beklagte massive Arbeiten in den unteren Geschossen durch. Unter anderem wurden mehrere Innenwände sowie der gesamte Bodenbelag entfernt und zusätzliche Entkernungsarbeiten vorgenommen. Dabei kamen laute und Erschütterungen erzeugende Geräte wie Schlagbohrmaschinen zum Einsatz.
Dagegen wendete die die klagende Kanzlei mit einem Antrag auf Unterlassen im Wege einer einstweiligen Verfügung, die auch antragsgemäß vom Landgericht Frankfurt erlassen wurde.

Auch vor dem OLG Frankfurt hatte die beklagte Bank keinen Erfolg. Die massiven Beeinträchtigungen beeinträchtigen die Klägerin in ihrem mietvertraglichen Besitzrecht. Eine Duldungspflicht besteht nicht.

Vielmehr hat die Bank als Vermieterin der der Mieterin den geschuldeten vertragsgemäßen Gebrauch der Räume bis zum Vertragsende am 31.12.2023 zu gewähren. Dabei ist auch der vertragsgemäße Gebrauch eine Frage des Einzelfalls. Vorliegend waren die Räumlichkeiten zum Betrieb eines Rechtsanwalts- und Notariatsbüros vermietet worden. Ein solcher Betrieb erfordert auch eine geistig-gedankliche Tätigkeit. Diese muss grundsätzlich ungestört durchgeführt werden können. Eine Störung durch Lärm, Erschütterungen, Verschmutzungen oder andere Immissionen muss die Klägerin grundsätzlich nicht dulden, vielmehr hat die Beklagte diese zu unterlassen und zusätzlich dafür Sorge zu tragen, etwaige Störungen durch Dritte abzuwehren.

Nachdem die Klägerin schon die Arbeiten im unteren Geschoss nicht hätte dulden müssen, hat sie erst recht einen Anspruch darauf, dass die gleichen Arbeiten (Abriss, Entkernung etc.) nicht auch noch in den weiteren Geschossen durchgeführt werden.

Zwar muss ein Mieter zum Beispiel bei einem Mieterwechsel damit rechnen, dass dieser seine Räumlichkeiten entsprechend anpasst oder umbaut. Die in diesem Fall durchgeführten Arbeiten stellten jedoch keine noch zu duldenden Renovierungs- und Umbauarbeiten dar, sie dienten auch nicht der Modernisierung oder Verbesserung, da es an einer dafür erforderlichen nachhaltigen objektiven Erhöhung des Gebrauchswerts fehle.

Die Frankfurter Richter verneinten ebenso eine Duldungspflicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben heraus. Ihre Abwägung ergab, dass das Interesse der Mieter, die Mietsache ungestört nutzen zu können, das Interesse des Vermieters an der Umgestaltung überwiege. Es sei zumutbar, mit den Umbauarbeiten bis zum Ende des Mietvertrages zu warten.

Schließlich ist die Mieterin auch nicht verpflichtet, die Arbeiten außerhalb üblicher Bürozeiten (Nachtzeiten/Wochenende) zu dulden, denn der Mietvertrag gebe der Klägerin ein Recht auf umfassende Nutzung und nicht nur auf Nutzung während üblicher Bürozeiten.

Dem OLG Frankfurt scheint die teilweise hohe Arbeitsbelastung vieler Kanzleien durchaus nicht unbekannt, wenn es feststellt: Es sei gerichtsbekannt, dass Rechtsanwälte und Notare nicht nur während üblicher Geschäftszeiten, sondern regelmäßig auch in den späten Abendstunden sowie an Samstagen und mitunter auch an Sonn und Feiertagen in den Büroräumen arbeiteten oder Besprechungen durchführten.

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Arbeitsrecht Recht

Vorbeschäftigung und die sachgrundlose Befristung

Bundesarbeitsgericht mit einem Schritt zurück nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Sommer 2018.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Januar 2019, 7 AZR 733/16

Einmal hin und einmal her, das Bundesarbeitsgericht (BAG) ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von seiner arbeitgeberfreundlichen Rechtsprechung aus 2011 wieder zu seiner alten Rechtsprechung zurückgekehrt, lässt den Fachgerichten und sich jedoch auch die Möglichkeit offen, im Einzelfall eine sachgrundlose Befristung bei Vorbeschäftigung zuzulassen.

Vor 2011

Grundsätzlich darf ein Ar­beits­ver­hält­nis auch oh­ne Vorliegen eines sach­li­chen Grundes bis zu zwei Jah­re lang be­fris­tet wer­den, § 14 Abs. 2 Satz 1 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG). Diese Möglichkeit ist jedoch nicht gegeben, „wenn mit dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber be­reits zu­vor ein be­fris­te­tes oder un­be­fris­te­tes Ar­beits­ver­hält­nis be­stan­den hat“, § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Gesetzgeber einen Miss­brauch be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trä­ge durch sogenannte “Be­fris­tungs­ket­ten” ver­hin­dert wollte.

Das BAG hatte bis 2011 entschieden, dass diese Regelung keinen größeren Deutungsspielraum zulasse und dass auch weit in der Ver­gan­gen­heit lie­gen­de vorherige Be­schäf­ti­gun­gsverhältnisse einer erneuten sach­grund­lo­s befristeten Beschäftigung entgegenstehen.

So beschloss das BAG noch 2009 (Be­schluss vom 29.07.2009, 7 AZN 368/09):

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat be­reits ent­schie­den, dass es auf den zeit­li­chen Ab­stand zwi­schen dem frühe­ren Ar­beits­verhält­nis und dem nun­mehr oh­ne Sach­grund be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis (BAG 6. No­vem­ber 2003 – 2 AZR 690/02 – BA­GE 108, 269 = AP Tz­B­fG § 14 Nr. 7 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 7) eben­so we­nig an­kommt wie auf die Art der vor­he­ri­gen Tätig­keit des Ar­beit­neh­mers in dem Be­trieb oder für den Be­triebs­in­ha­ber (BAG 18. Ok­to­ber 2006 – 7 AZR 145/06 – Rn. 13, BA­GE 120, 34 = AP Tz­B­fG § 14 Verlänge­rung Nr. 4 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 35). Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on ist nicht we­gen der ver­ein­zelt im Schrift­tum geäußer­ten Kri­tik (zB. ErfK/Müller-Glöge 9. Aufl. § 14 Tz­B­fG Rn. 98) an die­ser Recht­spre­chung ge­bo­ten. Der Se­nat hält eben­so wie der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts den Wort­laut des § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG für ein­deu­tig.

Wende des BAG 2011

2011 kam mit dem Ur­teil vom 06.04.2011 (7 AZR 716/09) die Wende: Eine Lehrerin hatte sich gegen die Befristung gewehrt, da sie bereits sechs Jah­re zu­vor für ih­ren Ar­beit­ge­ber als stu­den­ti­sche Hilfs­kraft tä­tig ge­we­sen war. In dem Fall entschied das BAG, dass einer erneuten Befristung die Vorbeschäftigung nicht entgegenstehe, da zwischen der Vorbeschäftigung und dem aktuellen Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre gelegen hatten. Diese Rechtsprechung war nicht unumstritten, denn viele kritisierten, dass sich das BAG anmaße, anstelle des Gesetzgebers, der diese zeitliche Grenze nicht gezogen hatte, nunmehr den § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG um eine solche zu ergänzen. Auch einige Landesarbeitsgerichte hielten die 3-Jahres-Grenze des BAG für verfassungswidrig.

Bundesverfassungsgericht im Juni 2018

Auf Vorlage des Arbeitsgerichts Braunschweig sowie auf eine Verfassungsbeschwerde hin hatte das BVerfG am 6. Juni 2018 (1 BvL 7/14 und Az. 1 BvR 1375/14) beschlossen, dass die Auslegung des BAG nicht mehr vom Willen des Gesetzgebers gedeckt sei. Wenn der Gesetzgeber erkennbar keine Frist für die Vorbeschäftigung geregelt habe, dürfe richterliche Rechtsfortbildung diese nicht selber erschaffen.

Gleichzeitig erklärten die Verfassungsrichter allerdings auch, dass es Fälle geben könne, in denen eine Vorbeschäftigung eine erneute sachgrundlose Befristung nicht verhindere. DIes sei beispielsweise der Fall, wenn gerade keine Gefahr einer Kettenbefristung bestehe oder das unbefristete Arbeitsverhältnisse als Regelbeschäftigungsform erhalten bleibe.

Aufgabe der 2011er Rechtsprechung mit Urteil vom 23. Januar 2019

Dieser Vorgabe ist das Bundesarbeitsgericht nun mit seinem Urteil vom 23. Januar 2019 (7 AZR 733/16) gefolgt. Nach der Pressemitteilung sei die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis von etwa eineinhalbjähriger Dauer bestanden hat, das eine vergleichbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte.

Im Jahr 2011 hatte das Bundesarbeitsgericht zwar entschieden, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfasse in verfassungskonformer Auslegung nicht solche Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen. Diese Rechtsprechung kann jedoch auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) nicht aufrechterhalten werden. Danach hat das Bundesarbeitsgericht durch die Annahme, eine sachgrundlose Befristung sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliege, die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben überschritten, weil der Gesetzgeber eine solche Karenzzeit erkennbar nicht regeln wollte.

Pressemitteilung Nr. 3/19  des Bundesarbeitsgerichts vom 23.01.2019

Das BAG greift auch gleich die Möglichkeit, die das BVerfG eröffnet hatte, auf und erklärt, dass eine verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken könne, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar sei, weil die Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei , um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.

Es führt drei Fälle an:

  • Wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt,
  • ganz anders geartet war oder
  • von sehr kurzer Dauer gewesen ist.

Die Gerichte und die hohe See

Warum der alte Satz, dass man vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand sei, wahr sein könnte, beweist das BAG am Schluss der Pressemitteilung:

Die Beklagte (Anmerkung: Gemeint ist die Arbeitgeberin) kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Befristung im Vertrauen auf die im Jahr 2011 ergangenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vereinbart zu haben. Sie musste bei Abschluss der Verträge mit dem Kläger jedenfalls die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Norm vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnte.

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Arbeitsrecht Recht

Bundesarbeitsgericht: Vorgegebene Verfallsklauseln, die Mindestlohn einschließen, sind unwirksam

Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 18.09.2018 – 9 AZR 162/18

Viele Arbeitsverträge enthalten sogenannte Verfallsklauseln. Danach hat jede Partei (also Arbeitgeber wie Arbeitnehmer) ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen einer gewissen Frist (z.B. von 6 Monate) schriftlich geltend zu machen. Bei sogenannten zweistufigen Verfallsklauseln ist dann, verweigert die andere Seite die Leistung auf die Aufforderung hin, binnen einer weiteren Frist (z.B. von 3 Monate) Klage zu erheben.

Derartige Klauseln sind in der Regel vom Arbeitgeber vorformuliert, da dieser meist den Arbeitsvertrag einheitlich vorgibt. Damit unterliegen sie allerdings der Überprüfung nach den Regelungen, die für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gelten.

Für den Bereich des Mindestlohns, in dem das Mindestlohngesetz (MiLoG) gilt, hat das Bundesarbeitsgericht nun geurteilt, dass arbeitsvertragliche Verfallklauseln, die, ohne zu differenzieren, alle gegenseitigen Ansprüche und damit auch den gesetzlich garantierten Mindestlohn umfassen, gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen und unwirksam sind. Dies gelte jedenfalls für alle seit Inkrafttreten des MiLoG (also seit dem 01.01.2015) geschlossenen Arbeitsverträge.

Zum Fall

Der klagende Arbeitnehmer war beim beklagten Arbeitgeber als Fußbodenleger beschäftigt. Der im September 2015 geschlossene Arbeitsvertrag beinhaltete eine Verfallsklausel, wonach alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, werden sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber der jeweils anderen Partei schriftlich geltend gemacht. Nachdem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage. Innerhalb dieses Rechtsstreits schlossen die Parteien sodann einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15.08.2016. Der Arbeitgeber verpflichtete sich zur ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses bis zum 15.09.2016.

In der Abrechnung des Arbeitgebers für den Monat August 2016 fehlte jedoch die Urlaubsabgeltung. Nach Ansicht des Arbeitgebers sei dieser Anspruch des Arbeitnehmers inzwischen verfallen, da der er nicht rechtzeitig, also nicht innerhalb der Ausschlussfrist, schriftlich geltend gemacht worden sei.

Nachdem der Arbeitnehmer zunächst beim Arbeitsgericht Erfolg hatte, unterlag er in der anschließenden Berufung des Arbeitgebers vor dem Landesarbeitsgericht.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Auf seine Revision hin, gab das Bundesarbeitsgericht dem klagenden Arbeitnehmer Recht.

Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG habe  der Arbeitnehmer einen Anspruch auf 1.687,20 Euro brutto für die Abgeltung von 19 Urlaubstagen. Zwar habe er diesen Anspruch nicht innerhalb der vereinbarten Ausschlussfrist geltend gemacht. Dazu sei er allerdings auch nicht verpflichtet gewesen. Denn die vereinbarte Verfallsklausel verstoße gegen § 307 Abs. 1 BGB, wonach Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner (gemeint ist hier der Arbeitnehmer) des Verwenders (gemeint ist hier der Arbeitgeber) unangemessen benachteiligen, wobei eine unangemessene Benachteiligung sich auch daraus ergeben kann, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist (sogenanntes Transparenzgebot).

Seit dem 01. 01.2015 gilt für den Bereich des Mindestlohns der § 3 Satz 1 MiLoG:

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.

Da die Verfallsklausel den zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehme, was sie hätte machen müssen, da seine Geltendmachung nach dem MiLoG eben nicht beschränkt oder ausgeschlossen werden darf, sei die Klausel unklar und nicht verständlich.

Da die Klausel damit insgesamt unwirksam war, könne sie nach dem Bundesarbeitsgericht auch nicht für die Abwehr eines Anspruchs auf Urlaubsabgeltung herangezogen werden, eine Rechtsfolge des § 306 BGB.

Insgesamt unwirksam

Die Frage, ob eine Verfallsklausel, die keine Rücksicht auf § 3 MiLoG nimmt, nur in Bezug auf den Mindestlohnanspruch oder insgesamt unwirksam ist und damit auch keine Wirkung in Bezug auf Ansprüche entfaltet, die nicht auf dem Mindestlohn basieren, wurde bislang von den Arbeitsgerichten unterschiedlich beantwortet. So hatte das Landesarbeitsgericht Nürnberg die Unwirksamkeit nur bezüglich des Mindestlohns, aber keine generelle Unwirksamkeit der Klausel angenommen (Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 09. Mai 2017, Az. 7 Sa 560/16 (PDF)). So sah es auch die Berufungsinstanz des vorliegenden Falles (Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 31.01.2018. Az. 33 Sa 17/17). Andere Gerichte hielten die Klausel ohne Ausschluss der Ansprüche aus dem MiLoG für insgesamt unwirksam.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun Klarheit geschaffen und auf den Zeitpunkt des Abschluss des Arbeitsvertrages abgestellt. Jedenfalls für ab dem 01.01.2015 vom Arbeitgeber vorformulierte Verfallsklauseln, die keine Einschränkung enthalten, sind nicht nur in Bezug auf den Mindestlohn, sondern insgesamt unwirksam.

Anders kann es jedoch bei tariflichen Ausschlussfrist sein, wie das Bundesarbeitsgericht im Juni 2018 entschieden hatte (Urteil vom 20.06.2018, Az. 5 AZR 377/17). In Tarifregelungen können Beschränkungen des Mindestlohnanspruchs auch nur in Bezug auf diesen unwirksam sein, ohne dass die Ausschlussfrist generell unwirksam wäre. Der Grund dafür ist, dass Tarifregelungen nicht der Transparenzkontrolle der AGB Regelungen des BGB unterliegen, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB.

Bei vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsverträgen sahen die Richter des Bundesarbeitsgerichts jedoch nicht, dass § 3 Satz 1 MiLoG von seinem Wortlaut oder Sinn und Zweck her, die Anwendung der AGB Regelungen aus §§ 306, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB einschränke.

Fazit

Nachdem viele Arbeitgeber zunächst nach dem oben genannten Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg aufatmen konnten, ist nun nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts dringendes Handeln geboten. Neuverträge sind auf jeden Fall anzupassen. Bei Altverträgen ist dies im Einzelfall abzuwägen. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass Arbeitnehmer für noch nicht verjährte Ansprüche, von denen sie bislang dachten, sie seien wegen der Verfallsklausel ausgeschlossen, Ansprüche stellen.

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Mietrecht Recht Wohnraummietrecht

Gleichzeitige ordentliche Mietvertragskündigung weiterhin neben fristloser Kündigung möglich

Zahlen Mieter die Miete für zwei aufeinander folgende Termine nicht, so kann der Vermieter das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen, § 543 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a BGB. Vielfach wird neben der fristlosen Kündigung gleichzeitig (hilfsweise) eine ordentliche Kündigung zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist ausgesprochen. Eine ordentlich Kündigung kann der Vermieter von Wohnraum jedoch nur dann aussprechen wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, § 573 Abs. 1 BGB. Ein berechtigtes Interesse liegt nach dem Gesetz insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, was u.a. bei Mietrückständen regelmäßig der Fall ist.

Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB wird die Kündigung jedoch unwirksam, wenn der der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Diese nachträgliche Zahlung wird auch Schonfristzahlung genannt.

Die überraschenden Berufungsurteile des Landgerichts Berlin

Genau dies war in den beiden Fällen, die zunächst vor den Amtsgerichten Pankow-Weißensee und Tempelhof-Kreuzberg, später dann in der

Berufung vor dem Landgericht Berlin (Urteile vom 13.10.2017 – 66 S 90/17  und 15. November 2017 – 66 S 192/17) verhandelt worden waren, gegeben. Zwar sei die Räumungsklage der Vermieter zunächst berechtigt gewesen, aber der Anspruch nachträglich wegen der Schonfristzahlung erloschen. Nach Ansicht des Landgerichts Berlin habe zwischen dem Zugang der fristlosen Kündigungserklärung und dem Eingang der Schonfristzahlung kein Mietverhältnis bestanden, da dies bereits durch den Zugang der fristlosen Kündigung erloschen sei. Mangels Mietvertrages habe eine zusätzlich ausgesprochene ordentliche Kündigung keine Wirkung entfalten können, sie sei ins Leere gelaufen.
Dies hätte zur Folge, dass bei einer Schonfristzahlung, die die fristlose Kündigung zunächst beseitigt, die gleichzeitig ausgesprochene ordentliche Kündigung keine Wirkung mehr entfalten würde und im Räumungsprozess auch nicht mehr über sie entschieden würde.

Widerspruch vom Bundesgerichtshof

Dem widersprach der Bundesgerichtshof in seinen beiden Urteilen vom 19. September 2018 (Az. VIII ZR 231/17 und VIII ZR 261/17) und hob die Urteile des Landgerichts Berlin auf.

Damit kann die fristlose Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses auch weiterhin mit einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung verbunden werden.

Der Bundesgerichtshof erklärt, dass der Gesetzgeber mit der Regelung zur nachträglichen Schonfristzahlung habe gewährleisten wollen, dass die wirksam ausgeübte fristlose Kündigung trotz ihrer Gestaltungswirkung rückwirkend als unwirksam gilt und der Mietvertrag fortgesetzt wird.
Der Vermieter, der neben der außerordentlichen auch die ordentliche Kündigung ausspricht, erklärt, dass er auch für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung nicht greift (bspw. durch nachträgliche Zahlung oder Aufrechnung durch den Mieter) die Beendigung des Mietverhältnisses weiter verfolgen will.

Fazit

Die Entscheidung ist richtig. Die künstliche Aufteilung des Sachverhalts durch das Landgericht Berlin in ein fristlos beendetes Mietverhältnis, das durch die Schonfristzahlung wieder auslebt, aber zwischendurch nicht bestanden hätte, ist nicht lebensnah. Im Ergebnis müsste jeder Vermieter nach fristloser außerordentlicher Kündigung zunächst abwarten, ob der Mieter innerhalb der Schonfrist zahlt oder eine öffentliche Stelle einspringt, bevor er dann – gestützt auf die nicht unerhebliche Verletzung vertraglicher Pflichten – die ordentliche Kündigung aussprechen könnte. Der Mieter ist hier auch nicht besonders schutzwürdig. Zwar beseitigt die nachträgliche Mietzahlung den Räumungsanspruch des Vermieters, die schuldhafte Pflichtverletzung der nicht fristgerechten Mietzahlung bleibt. Die Nachträgliche Zahlung wird wegen der Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht zur frist- und vertragsgerechten Zahlung.

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Gewerbemietrecht Mietrecht Recht

Die Rechte des Mieters bei gewerblicher Zwischenmiete ohne Gewinnerzielungsabsicht

Mitte Januar 2018 bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) den Schutz des Mieters bei der gewerblichen Weitervermietung auch für die Fälle, in denen der Weitervermietung keine unmittelbare Gewinnerzielungsabsicht zugrunde liegt (Urteil vom 17. Januar 2018 – VIII ZR 241/16).

Einführung

Das Mietrecht sieht in § 565 BGB einen besonderen Schutz bei gewerblicher Weitervermietung vor.

Die Norm behandelt einen Sonderfall der Untermiete, also jene Konstellation, in der es zunächst einen Mietvertrag eines Hauptvermieters mit einem Hauptmieter gibt und einen weiteren des Untervermieters (=Hauptmieters) mit dem Untermieter. Dadurch erhält der Untermieter bzw. Endmieter, also jene Person, die schlussendlich die Räumlichkeiten tatsächlich nutzt, nur eine aus dem ersten Mietverhältnis abgeleitete Rechtsstellung. Der Untermieter hat kein direktes Mietverhältnis mit dem eigentlichen Hauptvermieter, ist aber trotzdem Ergebnissen unterworfen, die sich aus dem Hauptmieterverhältnis ergeben. So kann der Hauptvermieter nach § 546 Absatz 2 BGB für den Fall, dass der Mieter den Gebrauch der Mietsache einem Dritten überlassen hat, die Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses auch von dem Dritten zurückfordern. Dies widerspricht an sich dem Gedanken des Kündigungsschutzes bei Wohnraummietverhältnissen.

So hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, 11.06.1991 – 1 BvR 538/90) bereits 1991 für die gewerbliche Zwischenvermietung entschieden (Leitsatz)

Es verstößt gegen Art. 3 I GG, einem Mieter, der – in Kenntnis der Eigentumsverhältnisse – Wohnraum von einem gewerblichen Zwischenvermieter und nicht unmittelbar vom Eigentümer gemietet hat, den Kündigungsschutz des sozialen Mietrechts zu versagen.

§ 565 BGB dient daher dem Schutz des Mieters bei der gewerblichen Zwischenvermietung von Wohnräumen, da der Zwischenvermieter in der Regel rein wirtschaftliche Interessen hat, die nicht dazu führen sollen, dass der Endmieter in Bezug auf seine Rechte (z.B. Kündigungsschutz) schlechter gestellt wird.

Deswegen regelt § 565 BGB, dass bei der Beendigung eines Mietverhältnisses zwischen dem Vermieter und dem Zwischenvermieter, in dem der Zwischenmieter gewerbliche Interessen verfolgt, der Vermieter in den Mietvertrag des Zwischenvermieters mit dem Endmieter eintritt. Wird das Mietverhältnis zwischen Vermieter und Zwischenvermieter nicht beendet, sondern wechselt der Zwischenvermieters, dann genügt es, dass der neue Zwischenvermieter in den Mietvertrag eintritt. Der Paragraph schützt also den eigentlichen Wohnungsnutzer vor dem Herausgabeverlangen des Hauptvermieters, das diesem bei sonstigen Untermietverhältnissen zusteht.

Das Urteil des BGH vom 17.01.2018

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte eine Aktiengesellschaft 1 (Vermieter) im Jahr 1965 Wohnungen in Frankfurt am Main an eine andere Aktiengesellschaft 2 (gewerblicher Zwischenmieter) vermietet (Hauptmietvertrag), die diese als Werkswohnung an ihre Arbeitnehmer (als Untermieter) weitervermietet. Dabei waren die Bedingungen des Hauptmietvertrages und des Untermietvertrages gleich. Sie entsprachen auch den marktüblichen Bedingungen. Klägerin des Falles war die Rechtsnachfolgerin der Aktiengesellschaft 1. Sie kündigte das (Haupt-) Mietverhältnis gegenüber der Rechtsnachfolgerin der Aktiengesellschaft 2 und forderte von einem Ehepaar, das als Endmietern in einer der Werkswohnungen lebte, die Wohnung zu räumen und herauszugeben.

Die Vorinstanz (Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 23. September 2016 – 2 U 19/16) hatte zwar keine unmittelbare gewerbliche Zwischenmiete angenommen, da die Aktiengesellschaft 2 keine Gewinnerzielungsabsicht gehabt habe, war jedoch davon ausgegangen, dass die Interessenlage derart vergleichbar sei, dass auch hier § 565 BGB entsprechend anzuwenden sei. Im Ergebnis entschied das OLG Frankfurt am Main, dass die Rechtsnachfolgerin der Aktiengesellschaft 1 nach Kündigung gegenüber der Rechtsnachfolgerin der Aktiengesellschaft 2 in das Mietverhältnis eingetreten sei und dass die Endmieter der Rechtsnachfolgerin der Aktiengesellschaft 1 gegenüber die ihnen zustehenden Rechte des Kündigungsschutzes bei Wohnraummietverträgen geltend machen könnten.

Dagegen wendete sich die Rechtsnachfolgerin der Aktiengesellschaft 1, scheiterte jedoch auch vor dem BGH. Allerdings wendete der BGH § 565 BGB nicht nur entsprechend, sondern unmittelbar an.

Denn ein Zwischenvermieter handele jedenfalls auch dann als gewerblicher Zwischenvermieter, wenn er zwar keine unmittelbare Gewinnerzielungsabsicht habe, aber durch die Weitervermietung der Wohnung an Arbeitnehmer als Werkswohnung eigene wirtschaftliche Interessen verfolge und fördere.
Soweit § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB bezweckt, dass bei einer Weitervermietung aus lediglich wirtschaftlichen Interessen dem Endmieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages derselbe soziale Kündigungsschutz zur Verfügung stehen soll, den er bei direkter Anmietung vom Hauptvermieter gehabt hätte, kann nichts anderes für die Fälle gelten, in denen ein Arbeitgeber dadurch, dass er Wohnungen an seine Arbeitnehmer weitervermietet, eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt (Bindung der Arbeitnehmer an das Unternehmen, Wettbewerbsvorteile auf dem Arbeitsmarkt etc.).

Fazit

Die Entscheidung ist konsequent:
§ 565 BGB behandelt die Fälle, in denen der Zwischenvermieter einen gewerblichen Zweck verfolgt. Dabei muss das Gewerbliche der Weitervermietung nicht zwingend in der Erzielung monetärer Gewinne, die unmittelbar aus der Weitervermietung des Wohnraums erzielt werden, liegen. Gerade in Zeiten, in denen Unternehmen um die besten Fachkräfte werben, sind Sonderleistungen der Unternehmen (wie beispielsweise eine Werkswohnung) wichtige Wettbewerbsvorteile, die letztendlich einem gewerblichen Zweck des Unternehmens dienen.